Donnerstag, 2. Februar 2012

Crysis 2 (PS3-Review)


Genre: Ego-Shooter
Erschienen: 24. März 2011 für PC, PS3 und Xbox360
Alterseinstufung: USK ab 18

Aus dem Dschungel in den Dschungel: Statt tropischer Sommer-Winter-Kulisse zieht der deutsche Entwickler Crytek mit seinem Ego-Shooter in die Großstadt um, genauer gesagt Amerikas populärste Metropole: New York. Was sich sonst noch geändert verrät das Review anhand der Version für Playstation 3.

Von den dramatischen Geschehnissen in Crysis sowie Crysis: Warhead, den beiden Vorgängern von Crysis 2, hat man offenbar abseits der abgelegenen Tropeninsel noch nicht allzu viel mitbekommen. Doch das wird sich schnell ändern, genauer gesagt bereits zu Beginn der Handlung von Crysis 2. Jedenfalls bricht für den spielbaren Charakter Alcatraz, seines Zeichens Mitglied einer Force-Recon-Einheit, während eines angeblich routinemäßigen Einsatzes in einem U-Boot vor Manhattan die Hölle los. Nach einer rasanten Unterwasserflucht spielen sich an der Oberfläche unfassbare Szenen ab: Die Alien-Invasion ist in vollem Gange und all seine Kameraden verlieren kurzerhand ihr Leben. Bevor Alcatraz selbst zum Opfer wird, tritt jedoch ein Elitesoldat im markanten Nanosuit auf den Plan, der sich schon wenig später als alter Bekannter für Kenner der Vorgänger erweist. Als die Spielfigur wieder das Bewusstsein erlangt steckt er nicht nur in eben jenem Anzug sondern hat auch einen klaren Auftrag. So schlägt man sich durch ein etwa achtstündiges, überraschend düsteres Abenteuer durch die eroberten Ruinen Manhattans. Doch nicht nur die außerirdischen Invasoren trachten uns nach dem Leben…



Zugegebenermaßen gewinnt auch die Geschichte im neuesten Crytek-Werk keine Preise für besonderen Einfallsreichtum, emotionale Charaktertiefe oder sonst irgendetwas, was man auch beim Großteil der anderen Ego-Shootern heutzutage vergeblich erwartet. Trotz einiger Story-Wendungen geht es hauptsächlich um die Präsentation der Geschehnisse. In diesem wichtigen Aspekt punktet Crysis 2 entscheidend - trotz vergleichsweise qualitativ magerem Beginn und Ende – und nicht durch gerenderte Zwischensequenzen die qualitativ im Gegensatz zur Spielgrafik stehen könnten. Stattdessen wird das Geschehen in eben jener hochwertig sowie nahtlos passend präsentiert und fährt auch die ein oder andere gelungene Skriptsequenz auf, ohne mit plumpen Aneinanderreihungen erschlagen zu wollen. Der Spieler fühlt sich also niemals wirklich rausgerissen, das Mittendrin-Gefühl ist allgegenwärtig, nicht selten sogar überwältigend. Dabei ist auch die bekannte Spielumgebung sehr gut eingebunden: Auch wenn man persönlich noch nie in der schillernden Millionen-Metropole zugegen war, deren markante Stadtbilder sich durch die tragischen Ereignisse des 11. September 2001 auch in den hinterletzten Verstand eingebrannt haben dürften, ist der Erkennungswert der zerstörten Umgebung mit Sehenswürdigkeiten wie Freiheitsstatue, Brooklyn Bridge, usw. enorm hoch und in dieser gezeigten qualitativen Form in einem Videospiel noch niemals da gewesen – auch nur ganz selten so in Filmen erreicht. Das virtuell geschaffene New York lässt wohl die ein oder andere Kinnlade gen Boden klappen, wenn man ein Auge für Details hat und nicht wie man es von der aktuell dominierenden Generation von Call of Duty gewohnt ist wie auf Schienen mit Scheuklappen durch die Abschnitte läuft, nur auf den Feind fokussiert ist. Stellenweise hat man sogar durch gute Synchronisationsarbeit das ungemein motivierende Gefühl, dass der wahrhaftige Bruce Willis an unserer Seite kämpft – dem bekannten deutschen Sprecher Manfred Lehmann sei Dank. Der Spieler soll und kann sich ruhig die Zeit nehmen um solche Sachen in sich aufzunehmen sowie die Schauplätze zu erforschen – auch weil die gelungene Spielmechanik dies zulässt. Denn Crysis 2 entpuppt sich in meiner persönlich bevorzugten Spielweise tatsächlich als Stealth-Shooter der Extraklasse. So ist ein Großteil der Zeit zu bewältigen ohne auch nur einen einzigen Schuss abzufeuern, was das reichhaltige, aufrüstbare Waffenarsenal fast zur Nebensache verkommen lässt.


Crysis 2 ist zwar für einen Ego-Shooter erfreulich offen, allerdings nicht mehr ganz so weitläufig wie noch die Vorgänger oder Crytek´s Erstlingswerk Far Cry es größtenteils noch waren – ohne jedoch so streng linear zu sein wie Call of Duty, Killzone 3 oder Resistance 3. Das hat auch einiges mit dem Nanosuit 2.0 zu tun, der aber durch wegrationalisierte Möglichkeiten eher wie eine Version 0.5 wirkt: Anstatt den praktischen Anzug mit weiteren Features zu füttern, scheint das gute Stöffchen im Nachfolger an Optionen verloren zu haben und somit bricht Crysis 2 mit einer gewissen Erwartungshaltung einiger Spieler. Besonders wichtig ist es eigentlich „nur“ noch, sich unsichtbar zu machen, höher zu springen sowie eine deutlich stärkere Panzerung. Auf der anderen Seite kann man natürlich mit mehr Kompaktheit argumentieren – es ist wieder einmal eine Geschmacksfrage. Stattdessen hat Crytek den taktischen Visions-Modus eingebaut, der auf Wunsch beispielsweise jederzeit sichtbare Gegner klar hervorhebt oder auch Munitionslager. Freund und Feind verhalten sich größtenteils solide, offenbaren allerdings auch störende Macken, bleiben an Gegenständen hängen und laufen nicht selten blindlings in ihr Verderben. Hier fehlt etwas das Feintuning, denn künstliche Intelligenz haben die Entwickler normalerweise drauf wie kaum ein anderes Studio. Der ein oder andere Bosskampf hätte ebenso wenig geschadet, zumal sich eine Alien-Invasion gerade dafür aufdrängt.



Grafisch kann die PS3-Version zwar nicht mit dem PC-Pendant mithalten, gehört in dieser Konsolengeneration dafür zweifelsohne zu den beeindruckensten Ego-Shootern. Da kann auch die schwankende Bildwiederholrate wenig dran rütteln: Abwechslungsreiche, überaus authentische Schauplätze, ordentliche Charaktermodelle und überragende Effekte sorgen für einen wahren Augenschmaus im Hellen als auch im überwiegendem Dunkel New York´s. Gegenüber dem PC-Vorgänger, der zwischenzeitlich noch für PS3 und Xbox360 per Download nachgeschoben wurde, wäre aber durchaus noch etwas mehr drin gewesen. Den grafischen Referenztitel hat Crytek somit zum Veröffentlichungszeitpunkt diesmal nicht abgeliefert. Mit Far Cry im Jahr 2004 sowie Crysis 1 drei Jahre später war dies noch gelungen. Die langsam vor sich hin alternde Konsolengeneration fordert immer wieder ihren technischen Tribut an Multiplattformtitel. Insgesamt stimmt aber die Atmosphäre, denn Komponist Hans Zimmer schafft es immer wieder seine Bahnbrechenden Soundtracks noch zu übertreffen. Professionelle deutsche Sprecher und knallige Soundeffekte runden das Gesamtbild noch ab, die Steuerung funktioniert sowieso wie sie in jedem guten Shooter funktionieren sollte.


Mit dem Mehrspielermodus können sich Spieler beschäftigen, müssen sie aber nicht. Dem fehlt es nämlich eindeutig an Eigenständigkeit, orientiert sich stattdessen an Call of Duty. Für diesen Modus ist aber nicht Crytek direkt verantwortlich, vielmehr zeichnet sich das UK-Studio dafür verantwortlich, die man noch unter dem Namen Free Radical kennen dürfte. Time Splitters oder Haze sind bekannte Titel der Truppe. Mit vergleichsweise 13 kleineren Karten für bis zu 16 Zocker, die es insbesondere Scharfschützen schwer machen, fehlenden Fahrzeugen ebenso weggefallenem Power-Struggle spielt es sich durch die Möglichkeiten des Nanosuit in sechs Varianten (Deathmatch, Team-Deathmatch, Domination, Exfiltration, Angriff, Capture the Flag) taktischer als das Vorbild. Weitere Inhalte sind per kostenpflichtigem Download-Content erhältlich. Multiplayer-Fans finden hier ein gefundenes Fressen, Beliebtheitswerte von Battlefield und Call of Duty scheinen aber derzeit einfach unerreichbar.

Fazit:
Crysis 2 kann sich trotz starker Konkurrenz im Ego-Shooter-Jahr 2011 ganz vorne platzieren. Dafür fährt der Titel gute Argumente vor: Spielbarkeit, Mittendrin-Gefühl, Soundkulisse, Atmosphäre und Setting überzeugen fast durchgehend. Der Technik-Thron bleibt Crytek diesmal jedoch vorenthalten.

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